Wenn die Lebenserfahrung für Zwei reicht
24.11.2010

Es gibt viele Möglichkeiten, sich freiwillig zu engagieren und damit etwas Sinnvolles für andere und sich selbst zu tun. Je nach persönlichen Interessen, Fähigkeiten und Lebenserfahrungen können sich Frei-willige in entsprechende Einsatzbereiche einbringen. Die Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement möchte aus der Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten verschiedene Engagementfelder vorstellen und zu neuem Engagement anregen.


Wenn die Lebenserfahrung für Zwei reicht
Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis (1):
Freiwillig Engagierte betreuen unterstützungsbedürftige Menschen in rechtlichen Angelegenheiten

"Es macht micht zufrieden,
Menschen helfen zu können,
die ohne das Zutun Dritter
nicht mehr im Leben zurechtkommen."


 

Toni Burczyk,
ehrenamtlicher Betreuer


Es gibt ganz verschiedene Gründe, warum Menschen ihre eigenen Angelegenheiten nicht oder nicht vollständig erledigen können: dies können beispielsweise körperliche, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen sein. Damit die betroffenen Menschen trotz dieser Einschränkungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können, erhalten Sie für die Bereiche und Angelegenheiten, in denen sie Unterstützungsbedarf benötigen, einen gesetzlichen Vertreter. Mit der Einführung des Betreuungsrechts im Jahr 1992 ging es dem Gesetzgeber insbesondere darum, die Rechte der Betreuten zu stärken, um sie zu einer größtmöglichen, selbständigen Lebensführung zu befähigen.

Gesetzliche Betreuungen können sowohl von ehrenamtlichen Personen als auch von Berufsbetreuern übernommen werden. Das zuständige Amtsgericht entscheidet im Rahmen einer auf mehreren Ebenen stattfindenden Überprüfung, ob jemand eine gesetzliche Betreuung benötigt. Zunächst wird abgewogen, ob es im Umfeld des Betroffenen einen geeigneten Betreuer, vorrangig einen Familien-angehörigen, gibt. Ist dies nicht der Fall, können auch andere, sozial engagierte Personen als ehren-amtliche Betreuer vorgeschlagen werden. Die Wünsche der Betroffenen werden dabei besonders berücksichtigt.

Die Aufgaben, die ein ehrenamtlicher Betreuer im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretung für die von ihm betreuten Personen vom Amtsgericht konkret aufgetragen bekommt, sind sehr unterschiedlich und je nach betreuter Person höchst individuell.  Typische Aufgabenbereiche sind beispielsweise die Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung oder auch Vertretung in Behördenangelegenheiten.

Mit diesen Aufgabenbereichen ist auch Toni Burczyk bestens vertraut, der sich vor 19 Jahren dazu entschloss, ehrenamtlich als gesetzlicher Betreuer aktiv zu werden. Der 58-jährige Heimbuchenthaler möchte mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit Menschen aus dem Landkreis Aschaffenburg helfen, die aufgrund einer geistigen oder körperlichen Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre rechtlichen Angelegenheiten eigenständig zu erledigen.

"Derzeit kümmere ich mich um insgesamt fünf Personen im Alter von 23, 27, 46, 78 und 79 Jahren, von denen ich bei vier Personen als gesetzlicher Betreuer eingesetzt bin. Darunter befinden sich drei geistig behinderte Personen, eine ältere Person, die an Demenz erkrankt ist, sowie ein Pflegefall“, so Toni Burczyk. Zu seinen vom Amtsgericht übertragenen Aufgaben gehören z.B. die Vermögens- und Gesundheitssorge, die Vertretung gegenüber verschiedenen Behörden und Einrichtungen oder die Bearbeitung der Post sowie ggf. der Pflegeheimangelegenheiten. Des Weiteren fällt in seinen Aufgabenbereich, die von ihm betreuten Personen regelmäßig zu besuchen und sich individuell um die einzelnen Betreuten zu kümmern. „Ich bespreche mit Ihnen persönliche Belange und vielfach auch ihre Sorgen. Mit den jüngeren Betreuten versuche ich noch engeren Kontakt zu halten. So werde ich von einem der jungen Männer mehrmals wöchentlich angerufen. In diesen abendlichen Telefongesprächen teilt er mir seine Probleme am Arbeitsplatz und aus dem Alltag mit."

Als gesetzlicher Betreuer hat Toni Burczyk dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen Angelegenheiten zum Wohle der Betreuten geregelt werden. Im Einzelfall kann dies umfassen: Gespräche mit Behörden, Ärzten oder Banken, Erkennen des jeweiligen Hilfebedarfs und Organisation der ent-sprechenden Hilfen (z.B. durch Einbindung von Sozialstationen, Nachbarschaftshilfegruppen oder durch Beantragung von gesetzlichen Leistungen), Hilfe beim Stellen von Anträgen oder auch die Überprüfung der Pflegebedingungen sind typische Unterstützungsformen.

Toni Burczyk war bereits als Jugendlicher ehrenamtlich aktiv. Er engagierte sich ab seinem 16. Lebensjahr für ein soziales Projekt, in dessen Rahmen Kindern aus sozial schwachen Familien eine mehrwöchige Ferienfreizeit ermöglicht wurde. Schon damals erhielt er durch sein ehrenamtliches Engagement wertvolle Erfahrungen und knüpfte freundschaftliche Kontakte, die auch heute noch bestehen. Darüber hinaus war er für die Dauer von acht Jahren als berufsmäßiger Bürgermeister der Gemeinde Heimbuchenthal tätig.

Seine ehrenamtliche Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer übt Toni Burczyk in seiner Freizeit, überwiegend in den Abendstunden oder am Wochenende, aus. Hauptberuflich ist er seit über 30 Jahren bei der Kriminalpolizei Aschaffenburg und dort als Kriminalhauptkommissar im Bereich der Eigentumskriminalität (Erpressung, Raubüberfälle und Einbruchdiebstahl) tätig. Der tägliche Zeitaufwand für sein Engagement liegt bei durchschnittlich zwei Stunden. „Natürlich nimmt die Wahrnehmung einer solchen Betreuung Zeit in Anspruch, die als Freizeit nicht mehr zur Verfügung steht. Das gleicht sich jedoch mit der Dankbarkeit, die sich je nach Betreutem sehr unterschiedlich zeigt, wieder aus“, so Toni Burczyk.

Die langjährige, ehrenamtliche Tätigkeit hat für ihn einen hohen Stellenwert. „Bei all dem Leid und den Sorgen dieser Menschen wurde ich im Umgang mit meinem eigenen Leben gelassener und zufriedener und nicht zuletzt fröhlicher. Ich bin dankbar, dass es mir und meiner Familie gut geht.“

Ausgleich zu seiner verantwortungsvollen ehrenamtlichen Aufgabe und seinem Berufs-leben findet Toni Burczyk in Reisen ins südliche Afrika. Doch auch die Reisen sind von seinem sozialen Engagement geprägt:
So unterstützt er zwei namibische Familien finanziell durch die Bezahlung des Schulgeldes für die Kinder, verteilt unterwegs dringend benötigte Lebensmittel wie Wasser oder Maismehl und organi-siert aus Deutschland bereits verschiedene Hilfsgüter wie z.B. Bekleidung für die Menschen vor Ort.

Toni Burczyk hofft, dass sich zukünftig vermehrt interessierte Menschen dazu anregen lassen, als ehrenamtliche gesetzliche Betreuer tätig zu werden. Durch diese Aufgabe kann ein entscheidender Beitrag für das gesellschaftliche Miteinander geleistet werden. „Ich würde mich sehr freuen, wenn deutlich mehr Menschen bürgerschaftliches Engagement auf ihre Fahne schreiben und sozial tätig werden würden. Die Palette einer solchen Tätigkeit ist vielfältig und endlos groß.“

An ehrenamtliche Betreuer werden keine speziellen Anforderungen z.B. im Sinne einer beruflichen Vorbildung gestellt.  Als geeignet werden Personen angesehen, die grundsätzlich die Bereitschaft und Fähigkeit besitzen, sich auf unterstützungsbedürftige Menschen einzustellen und die in der Lage sind, einen guten persönlichen Kontakt zu den betreuten Personen aufzubauen. Dies ist insbesondere deshalb so wichtig, weil nur dann gemeinsam Entscheidungen zum Wohle des Betreuten getroffen werden können. Hilfreich ist es zudem, wenn bei den ehrenamtlichen Betreuern keine Berührungsängste gegenüber Krankheit und Behinderung bestehen und keine Scheu vor dem Umgang mit Behörden bzw. Verwaltungseinrichtungen existiert.

Von der Ausübung der Tätigkeit als Betreuer können die engagierten Personen auch selbst profitieren: Wissens- und Erfahrungswerte können erweitert, neue Kenntnisse gewonnen und soziale Kompetenzen in die Begegnung mit den unterstützungsbedürftigen Menschen eingebracht werden.
Unterstützt werden ehrenamtliche Betreuer von den Betreuungsstellen des Landkreises und der Stadt Aschaffenburg sowie von dem jeweils zuständigen Amtsgericht. „Ich weiß, dass ich jederzeit auf die Betreuungsstellen und zuständigen Gerichte zurückgreifen und Unterstützung erhalten kann. Das gibt ein gutes Gefühl,“ so Toni Burczyk.

Wer Interesse an einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Betreuer hat, sollte sich an die Betreuungsstelle des Landkreises Aschaffenburg oder an die Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement wenden. Interessierte erhalten hier ausführliche Informationen und können sich umfassend beraten lassen.

 

Christiane Weber,
Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement, Landratsamt Aschaffenburg


Fortsetzung der Serie (Teil 2 /4):

Sprachrohr für die ältere Generation
Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis (2):
Freiwillig Engagierte kümmern sich in ihrer Gemeinde um die Belange von Senioren


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