Hilfe in den schwersten Stunden
24.11.2010

Es gibt viele Möglichkeiten, sich freiwillig zu engagieren und damit etwas Sinnvolles für andere und sich selbst zu tun. Je nach persönlichen Interessen, Fähigkeiten und Lebenserfahrungen können sich Frei-willige in entsprechende Einsatzbereiche einbringen. Die Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement möchte aus der Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten verschiedene Engagementfelder vorstellen und zu neuem Engagement anregen.


Hilfe in den schwersten Stunden
Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis (3):
Freiwillig Engagierte begeleiten schwerstkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige


"Viele Suchen den
Sinn des Lebens -
ich habe ihn gefunden.
Die Hospizarbeit ist eine Herzensangelegenheit
für mich geworden."





Simone Nagel,
ehrenamtliche Hospizbegleiterin

Man nimmt sehr viel
für sich selbst mit
und lernt wesentlich
bewusster zu leben.

Dr. Max Strüder,
Hospizbegleiter und
1. Vorsitzender der
Hospizgruppe
Aschaffenburg




Sich mit dem Thema Sterben zu beschäftigen, bereitet vielen Menschen Angst und lässt sie verdrängen. Sich freiwillig als Hospizbegleiter zu betätigen und Menschen in ihrem Sterben zu begleiten, ist für viele Menschen eine noch größere Herausforderung, für manche gar unvorstellbar. Ehrenamtliche Hospizbegleiter sind ein großes Glück für unsere Gesellschaft.

Verschiedene Hospizeinrichtungen im Landkreis Aschaffenburg begleiten mit Unterstützung von freiwillig engagierten Menschen schwerstkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige ambulant in der vertrauten Umgebung oder stationär z.B. in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Palliativstationen. Dazu gehört auch die Hospizgruppe Aschaffenburg e.V., die sowohl in der Stadt als auch im Landkreis Aschaffenburg tätig ist. Ihr gehören etwa 80 ehrenamtlich Aktive an, die aufgrund einer intensiven Ausbildung, weiterführender Fortbildungsangebote und ständiger Begleitung bestens für ihre große Aufgabe vorbereitet sind.

Die 48-jährige Simone Nagel ist eine von ihnen. Sie entschloss sich vor etwa vier Jahren, sich ehrenamtlich im Bereich der Hospizarbeit zu engagieren und wandte sich an die Hospizgruppe. Es schien wie ein Wink des Schicksals zu sein, dass gerade zu diesem Zeitpunkt noch ein Platz im Ausbildungskurs frei war und von ihr belegt werden konnte. Bereits die Hospizausbildung gefiel Simone Nagel sehr gut, denn die angesprochenen Themen waren sehr anspruchsvoll und interessant. Nach einem zurückliegenden Schicksalsschlag innerhalb ihrer eigenen Familie und einer langen und Kräfte zehrenden persönlichen Krankheitsphase half ihr die Ausbildung und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Themen wie Krankheit, Verlust und Tod nicht zuletzt auch, ihre eigene Geschichte und persönlichen Erfahrungen besser verarbeiten zu können.

Doch auch durch die praktische Arbeit als Hospizbegleiterin hat Simone Nagel viele wertvolle Erfahrungen sammeln können: „Durch die Hospizarbeit habe ich starke Eindrücke gewonnen und bin sehr dankbar, das erleben zu dürfen. Es sind für mich besondere Erfahrungen, die mein Leben wertvoll machen.“

Die Hospizgruppe Aschaffenburg wird aktiv, wenn sich einzelne Personen, Angehörige oder Einrichtungen melden und ihren Hilfebedarf mitteilen.
Zwei hauptamtliche Koordinatoren ermitteln in einem persönlichen Vorgespräch, welche Form der Hilfe für wen benötigt wird. Anschließend wird ein Hospizbegleiter vermittelt, der die Begleitung des schwerkranken oder sterbenden Menschen übernimmt. Die Formen der Hilfe sind sehr individuell: von einer stundenweisen Betreuung am Tage bis hin zu einer Nachtbegleitung ist alles möglich. Die Hospizgruppe und ihre Helfer sind 24 Stunden präsent. Über ein Notfallhandy ist für Hilfesuchende immer jemand erreichbar und die Helfer stehen bereit. Betreut werden Erwachsene verschiedenen Alters, die schwer krank bzw. deren Leiden unheilbar sind und deren Krankheit ständig fortschreitet. Die Betroffenengruppe verschiebt sich zunehmend auch in jüngere Jahrgänge, was in den betroffenen Familien weitere Probleme verursacht, wie z. B. die Gefährdung des Arbeitsplatzes, finanzielle Probleme oder schlicht die Überforderung der Angehörigen. Da es sehr wichtig ist, auch für die Angehörigen individuelle Hilfe anzubieten, bindet die Hospizgruppe verschiedene andere Institutionen (z.B. Pflegedienste, Nachbarschaftshilfen, Sozialstationen oder Beratungsstellen) in ihre Arbeit mit ein.

Bisher hat Simone Nagel bereits mehrere Begleitungen übernommen, die von unterschiedlicher Dauer und verschiedenen Formen der Hilfe geprägt waren. „Jede Begleitung  ist  eine neue Situation.“ Die meisten Personen, die sie auf ihrem letzten Weg begleitet hat, waren zwischen 70 und 80 Jahre alt. Aber auch jüngere Senioren hat sie schon betreut. Zum Einsatz kam sie sowohl auf der Palliativstation, im Seniorenheim als auch zuhause bei den betroffenen Menschen. „Die Hilfe, die ich für die schwerkranken und sterbenden Menschen leiste, ist sehr unterschiedlich. Die Herausforderung  ist, zu spüren, was dem Patienten oder den Angehörigen in der besonderen Situation wichtig wäre. Zuhören, beten, singen oder auch  vorlesen. Manchmal ist es auch so, dass man die Situation am Krankenbett mit den Angehörigen einfach nur aushält und mitträgt.“ Ausgleich findet sie im Zusammenhalt ihrer Familie, in Gesprächen mit Freunden und beim Musikhören. „Meine Seele ernährt sich von Musik“, ergänzt Simone Nagel. Die ehrenamtliche Tätigkeit hat für Simone Nagel einen sehr hohen Stellenwert. „Sie hat mir geholfen, einen Sinn zu finden und  Hilfe für meine eigene Geschichte. Trotz Krankheit oder Einschränkungen kann  man etwas tun und gleichzeitig davon profitieren.“

Auch für den Mediziner Dr. Max Strüder, selbst aktiver Hospizbegleiter, ist jede Begleitung eines schwerkranken oder sterbenden Menschen eine wertvolle Bereicherung: „Man nimmt sehr viel für sich selbst mit und lernt, wesentlich bewusster zu leben.“ Der 68-jährige, der über viele Jahre hinweg im Landkreis als niedergelassener Internist tätig war,  begann vor 14 Jahren neben seiner Berufstätigkeit mit dem ehrenamtlichen Engagement im Hospizbereich. Seitdem ist die Hospizarbeit für ihn nicht mehr wegzudenken: „Das Engagement in der Hospizarbeit nimmt einen großen Teil meiner freien Zeit als Rentner ein.“ Seit acht Jahren widmet sich Dr. Strüder ausschließlich dem Bereich der Hospizarbeit und knüpfte an seine bisherige medizinische Ausbildung auch noch eine Facharztausbildung als Palliativmediziner an.

Das Besondere an seiner ehrenamtlichen Tätigkeit ist für ihn, dass er sich dabei viel Zeit nehmen kann. „Die Zeit, die Ärzte für ihre Patienten aufbringen können, wird immer weniger. Mir war es wichtig, endlich Zeit für die Patienten  haben zu können, ohne ökonomischen Zwängen zu unterliegen.“ Bedingt durch seine langjährige Tätigkeit als Arzt ist Dr. Strüder innerhalb der Hospizgruppe zum Ansprechpartner für medizinische Fragen geworden.

Herr Dr. Strüder ist nicht nur selbst aktiver Hospizbegleiter, er ist seit einigen Jahren zugleich 1. Vorsitzender der Hospizgruppe Aschaffenburg. In dieser Funktion leistet er Büroarbeit, organisiert Sitzungen und ist Ansprechpartner für die beiden hauptamtlichen Koordinatoren sowie die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer. Und so kann es schon einmal vorkommen, dass er tagsüber im Büro der Hospizgruppe tätig ist und nachts am Bett eines Sterbenden sitzt.

Neben seiner Tätigkeit als Hospizbegleiter und 1. Vorsitzender betreut er einmal pro Woche Infarktpatienten als Rehabilitationssport im Rahmen einer ambulanten Herzsportgruppe. In seiner Freizeit ist er schließlich selbst sportlich aktiv. Jedes Jahr nimmt er am Bayerischen und Deutschen Sportab-zeichen teil und erreicht stets das Goldene. Darüber hinaus liest er gerne und erfreut sich am Musizieren. Außerdem versucht er, viel zu reisen und sich dabei Erholung zu verschaffen. Früher war dafür nie Zeit, denn er hat sich 30 Jahre lang nur der Medizin gewidmet. Seit Herr Dr. Strüder ehrenamtlich tätig ist, hat er mehr Zeit, die er selbst bestimmen und flexibel einteilen kann. Die verschiedenen Hilfeformen und möglichen Einsatzzeiten ermöglichen es ihm, seine Zeit unbegrenzt einzusetzen. „Als Rentner hat man ja genügend Zeit und muss nicht alles für sich verwenden, sondern kann auch anderen Zeit schenken.“

„Die Patienten sind sehr dankbar, dass jemand für Sie und ihre Angehörigen da ist und Zeit spendet. Sie erwarten gar nichts Besonderes.“ Für ihn ist es wichtig, Präsenz zu zeigen. Er möchte die Einsamkeit der betroffenen Menschen überbrücken und einfach für Sie da sein. „Dazu bieten sich Gespräche, gemeinsames Beten oder Singen an, aber manchmal auch nur ein stilles Dasitzen.“

Auch wenn es unterschiedliche Erfahrungen und Fähigkeiten sind, die Hospizbegleiter wie Simone Nagel und Dr. Max Strüder mit in ihre Arbeit einbringen, befähigen sie doch alle gleichsam für die Hospizarbeit. „Jeder“, so Simone Nagel, „der sich mit Hospizarbeit auseinandersetzen möchte, hat bestimmt eine Stärke, die er in die ehrenamtliche Arbeit mit einbringen kann. Und das Ergebnis ist sehr bereichernd und nur positiv. Man hat das wunderbare Gefühl, etwas Gutes zu tun.“

Ehrenamtliche Hospizbegleiter werden nicht nur durch eine besonders intensive Schulung im Vorfeld auf ihre Tätigkeit vorbereitet, sondern werden auch während ihrer Tätigkeit intensiv von den entsprechenden Hospizeinrichtungen begleitet. Bei der Hospizgruppe Aschaffenburg e.V. erfolgt dies zum einen durch den ständigen Kontakt zu den Koordinatoren und durch vereinsinterne Angebote wie regelmäßige Fortbildungen, Treffen zum Erfahrungsaustausch, dem „Josefstag“ als Besinnungstag oder geselligem Beisammensein im Rahmen verschiedener Ausflüge und Feierlichkeiten. Zudem wird für die freiwilligen Helfer Supervision angeboten, um individuelle Probleme ansprechen und bearbeiten zu können. „Es ist wichtig, eine gute Betreuung für die Ehrenamtlichen zu gewährleisten“, so Dr. Strüder. "Man muss sie sehr pflegen, denn es ist keine leichte Arbeit.“ Jedes Jahr bietet die Hospizgruppe einen neuen Ausbildungskurs an und so kommen jährlich etwa 12 bis 15 neue Hospizbegleiter hinzu. Am Ende der Ausbildung ist es jedem freigestellt, ob er praktisch tätig werden möchte oder nicht. Die rund 80 Ehrenamtlichen der Hospizgruppe sind überwiegend Frauen, nur etwa 10 Prozent sind Männer. Sie haben die unterschiedlichsten Hintergründe, beruflichen Werdegänge und Motivationen, sich ehrenamtlich zu betätigen, so wie Simone Nagel und Dr. Max Strüder.

Beide messen dem freiwilligen Engagement eine große Bedeutung bei. „Es sind viele da, die sich engagieren. Aber freiwilliges Engagement wird zunehmend wichtiger. Vieles ist ohne Ehrenamtliche gar nicht mehr zu bewältigen und würde ohne sie zusammenbrechen“, so Dr. Max Strüder. Simone Nagel betont den Gewinn sowohl für die Allgemeinheit als auch für die eigene Person: „Neben den  guten Erfahrungen, die ich mache, tue ich etwas für die Gemeinschaft. Das gibt meinem Leben einen besonderen Sinn. Man begreift, was wirklich wichtig ist im Leben. Ich zehre davon und ziehe meine Kraft daraus. Was ich gebe, erhalte ich vielfach wieder zurück.“

Wenn Sie sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Hospizarbeit interessieren oder sich über die verschiedenen (ambulanten und stationären) Hospizeinrichtungen im Landkreis Aschaffenburg informieren möchten, steht Ihnen Christiane Weber, Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement, gerne zur Verfügung.
Christiane Weber,
Fachstelle Bürgerschaftliches Engagement, Landratsamt Aschaffenburg


Fortsetzung der Serie (Teil 4 /4):

Auf gute Nachbarschaft
Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis (4):
Freiwillig Engagierte sorgen für eine lebendige Nachbarschaft


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