Bauen im Überschwemmungsgebiet

Die Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen in amtlich festgesetzten und vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten sowie Vorranggebieten für den Hochwasserschutz nach Regionalplan sind grundsätzlich verboten und bedürfen einer wasserrechtlichen Genehmigung (§ 78 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, Absatz 3 und Absatz 6 Wasserhaushaltsgesetz und Artikel 47 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 Bayerisches Wassergesetz). Dies gilt unabhängig einer baurechtlichen Genehmigungspflicht, Verfahrensfreiheit und eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens. Das heißt neben einer Baugenehmigung ist auch eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werden die Baugenehmigung und die wasserrechtliche Genehmigung im Baugenehmigungsbescheid erteilt.

Im Landkreis Aschaffenburg besteht eine wasserrechtliche Genehmigungspflicht für den Main, die Kahl, die Gersprenz und die Aschaff (von der Mündung in den Main bis zur Gemarkungsgrenze Keilberg / Waldaschaff).

Voraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung (gemäß § 78 Absatz 3 Satz 1 Nummern 1 bis 4 Wasserhaushaltsgesetz)

  • Die Hochwasserrückhaltung ist nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum wird zeitgleich ausgeglichen.
  • Der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser wird nicht nachteilig verändert.
  • Der bestehende Hochwasserschutz wird nicht beeinträchtigt.
  • Das Vorhaben wird hochwasserangepasst ausgeführt.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist durch den Bauherrn mit der Planvorlage für die Baugenehmigung nachzuweisen. Mit den Bauantragsunterlagen, die in vierfacher Ausfertigung über die örtliche Gemeinde dem Landratsamt Aschaffenburg vorzulegen sind, sind zusätzlich folgende Pläne beziehungsweise Angaben vorzulegen:

  • Im Lageplan mit gut lesbaren Flurnummern und Kennzeichnung des Vorhabens sind das Überschwemmungsgebiet und der Hochwasserabflussbereich für ein HQ100  darzustellen. 
  • In den Bauvorlagen, insbesondere in den Gebäudeschnitten, ist der Wasserspiegel HQ100 bezogen auf das Grundstück mit Geländehöhe in müNN einzutragen.

Basis der wasserwirtschaftlichen Prüfung sind hierbei die potentielle Wassertiefe und - sofern bekannt - die Fließgeschwindigkeit bei HQ100, die im Rahmen der Ermittlung der Überschwemmungsgebiete vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg ermittelt werden und in der Regel im Informationsdienst Überschwemmungsgefährdete Gebiete -IÜG- oder im Hochwasserrisikomanagement-Plan veröffentlicht und zugänglich sind.

Retentionsraumsausgleich und Retentionsraumsverlust

Aus dem Lageplan oder einem separaten Plan muss ersichtlich sein, wie der Retentionsraumausgleich erfolgen soll und auf welche Weise der Wasserstand und dessen Abfluss nicht nachteilig verändert werden (zum Beispiel Lage des Vorhabens außerhalb des Hochwasserabflussbereiches, geringe Wassertiefen, kleine Abmessung des Gebäudes). Hierzu ist der Retentionsraumverlust zu ermitteln. In Einzelfällen sind hierfür Nachweise wie hydraulische Berechnungen erforderlich. Sofern auf eigenen Grundstücken kein Rückhalteraum geschaffen werden kann, kommt gegebenenfalls auch ein zentraler Ausgleich („Pool-  Lösung“) entsprechend Artikel 46 Absatz 7 Bayerisches Wassergesetz in Betracht. In diesem Fall würde von der Gemeinde eine größere Retentionsraumausgleichsmaßnahme vorgenommen werden, an der sich dann der Bauherr entsprechend finanziell beteiligt. Dies müsste mit der Gemeinde abgestimmt und entsprechend nachgewiesen werden. 

Hochwasserangepasste Bauausführung

Zur hochwasserangepassten Ausführung des Vorhabens ist der Auskunftsbogen vollständig ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen.

Bei der hochwasserangepassten Bauausführung werden Schutzmaßnahmen gegen das eindringende Wasser getroffen. Wenn ein Vermeiden nicht möglich ist, kann auch im Einzelfall eine planmäßige Flutung von "nicht wasserempfindlichen" Räumen unter den folgenden Voraussetzungen in Frage kommen:

  • Die Wohn- beziehungsweise Schlafräume müssen sich im Hinblick auf die Schutzgüter Leib und Leben zwingend über der HQ100-Wasserspiegellinie befinden.
  • Die Gebäudetechnik muss an die sich aus dem Bemessungshochwasser HQ100 ergebende Überflutungshöhe (zum Beispiel elektrische Sicherung) angepasst sein.
  • Eine Gefährdung durch wassergefährdende Stoffe muss ausgeschlossen sein, insbesondere müssen Heizöltanks hochwassersicher gelagert werden, sofern die Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen nicht generell im Überschwemmmungsgebiet verboten ist.

Die Standsicherheit (ausreichende Sicherheit vor Grundbruch, ausreichende Gleitsicherheit und Standsicherheit gegenüber dynamischen Wasserdruck) ist durch Vorlage eines Standsicherheitsnachweises eines Nachweisberechtigten für Standsicherheit nachzuweisen. Ob eine Prüfung des Standsicherheitsnachweises angezeigt ist, ist grundsätzlich im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden.

In diesem Zusammenhang muss bestätigt werden, dass das Gebäude bei erhöhten Anforderungen (zum Beispiel Schutz vor Hochwasser an Gebäudeöffnungen durch mobile Schutzelemente), die sich bei einem HQ100 ergeben, weiterhin standsicher ist.

Für die Erstellung des Standsicherheitsnachweises ist von statischem und dynamischem Wasserdruck durch oberirdische Überflutung auszugehen. Bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2, die im Hochwasserfall geflutet werden, kann der Belastungsfall aus dynamischem Wasserdruck unberücksichtigt bleiben.

Auf der Website des Landesamtes für Umwelt ist eine „Hochwasserfibel“ erhältlich.

Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen können jedoch immer nur an die jeweilige Situation angepasste Konzepte zur Ausführung kommen.

1991 wurde für den Main ein Überschwemmungsgebiet für einhundertjähriges Hochwasser (HQ 100) errechnet und für die Gemeinden Mainaschaff, Kleinostheim und Kahl gemäß Artikel 61 Bayerisches Wassergesetz als amtliches Überschwemmungsgebiet festgesetzt.